UNWIRKSAME BEITRAGSANPASSUNGEN - GELD ZURÜCK!?

Zurzeit gibt es einen Riesenrummel um verschiedene Urteile hinsichtlich der Unwirksamkeit von Beitragsanpassungen. In den sozialen Medien werben vermehrt Anwaltskanzleien und versprechen betroffenen Kunden eine Menge Geld... oder stellen es zumindest in Aussicht.

Wie verhält sich das nun in Wirklichkeit und was sollten Sie Ihren betroffenen Kunden raten, wenn sie auch von ihrem Krankenversicherer Rückzahlungen hoffen?

DIE AUSGANGSSITUATION

Die Rechtsprechung bemängelt, dass Krankenversicherer bei ihren Anpassungen die Gründe für die Beitragsänderungen betroffenen Kunden gegenüber nicht ausreichend und klar genug erläutert haben. Aus diesem Grunde sind manche Beitragsanpassungen für unwirksam erklärt worden.

Dadurch haben Versicherte, deren Beitrag angepasst wurde für die jeweiligen Zeiträume einen Anspruch auf Rückabwicklung. Die erfolgte Beitragserhöhung muss zurück gerechnet und der zu viel bezahlt Beitrag zurück erstattet werden.

DABEI IST ZU BEACHTEN: Die Beitragsänderung wurde durch einen formalen Fehler unwirksam. Das bedeutet nicht, dass sie falsch berechnet wurde - im Gegenteil. Der Anpassungsbedarf war vorhanden und wenn jetzt der Beitrag nach unten korrigiert wird, dann fehlt Geld.

 

DER IDEALFALL

PKV-KUNDEN VERKLAGEN IHREN VERSICHERER MIT FOLGENDEM ERGEBNIS...

  1. Der Anwalt erwirkt einen außergerichtlichen Vergleich oder gewinnt den Prozess.
  2. Der Krankenversicherer rechnet alles zurück und
  3. PKV-Kunden erhalten jede Menge Geld erstattet.

Wie gesagt, das ist der Idealfall.

 

SICH ERGEBENDE FOLGEN - AUS SICHT DES VERSICHERES

Nicht vergessen,... es handelt sich nicht um einen Rechenfehler, der Anpassungsbedarf war real. Durch die Rückabwicklung besteht der Fehlbetrag noch immer und damit ist das Verhältnis zwischen Beitragseinnahme und Leistungsausgaben in einem Missverhältnis.

  1. Der Krankenversicherer wird den Fehlbetrag bei nächster Gelegenheit wieder einpreisen - also zur nächsten Anpassungsrunde.
  2. Der sich dabei ergebende Fehlbetrag ist höher, weil durch die erzwungene Beitragskorrektur auch weniger Geld der Alterungsrückstellung zugeführt wurde.
  3. Sollten Beitragsrückerstattungen ausgezahlt worden sein, entstehen hier Rückforderungen des Versicherers, weil der Beitrag nachträglich herabgesetzt wurde.
  4. Die geringere Beitragslast führt zu einer Korrektur der Bescheinigung für die Finanzbehörden - auch hier drohen Rückforderungen.
  5. Bei abhängig beschäftigten PKV-Kunden wird auch nachträglich der Arbeitgeberzuschuss korrigiert werden - hier entstehen ebenfalls Rückforderungsansprüche.

Übrigens,... der Anwalt hat in der Zwischenzeit längst sein Geld erhalten, wenn das alles auf den Kunden zukommt.

 

DIE SICHT DES ANWALTS AUF DIE DINGE

Offenbar sehen es die Anwälte nicht ganz so schwarz...

Der Rechtsanwalt Dr. Knut Pilz der Kanzlei Pilz, Wesser & Partner, der sich in den seit Jahren geführten Verfahren auch im Hinblick auf die Fragen des unabhängigen Treuhänders hervorgetan hat kommt zu einem etwas anderen Ergebnis. Dem Onlinemagazin procontra online gegenüber hat er in einem Artikel vom 14.04.2021 betont...

  • dass die Rückzahlung des Versicherer deutlich höher ausfällt, als der Betrag, der wirklich der die Alterungsrückstellung zugeführt wurde;

  • dass auch die Argumentation, die Rückzahlungen belaste die gesamte Versichertengemeinschaft, um damit alte und junge Versicherte gegeneinander auszuspielen, werde der Sache nicht gerecht.

  • Außerdem sei auch der Hinweis der Versicherer und Aktuare, die Beiträge würden stärker angehoben werden aufgrund der Rückzahlungen nach geltender Rechtslage unzutreffend, denn gemäß § 155 Absatz 3 Sat 1 VAG hat

    das Versicherungsunternehmen für jeden nach Art der Lebensversicherung kalkulierten Tarif zumindest jährlich die erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen zu vergleichen.

    Das führe dann dazu, dass der Versicherer...

    lediglich für die Zukunft die Versicherungsleistungen im Rahmen einer Prämienanpassung berücksichtigen

    kann und das bedeutet, zu leistende Rückzahlungen wären vom Versicherer aus dem Gewinn zu finanzieren und es sie keinesfalls dem Kunden in gleicher Höhe berechnen könne.

 

WER GEWINNT?

Im Prinzip gibt es zwei Gewinner, vielleicht sogar einen weiteren...

  1. Der PKV-Kunde, der erfolgreich geklagt und gewonnen hat, wenn er sich anschließend den Folgen entziehen kann.
    Das kann nur geschehen, wenn er vor der nächsten Anpassungsrunde dem Versicherer den Rücken kehrt, entweder durch Wechsel des Anbieters oder durch Wechsel des Systems (Rückkehr in die GKV).

  2. Die Anwaltskanzlei - sie hat den PKV-Kunden erfolgreich vertreten und ihr Honorar bereits erhalten.

  3. Folgt man der Argumentation des Anwalts, dann auch der PKV-Kunde, der erfolgreich geklagt, gewonnen hat und anschließend bleibt.

 

Dennoch bleiben die Rückforderungsansprüche von Arbeitgeber und Finanzamt bestehen, genauso wie etwaige Rückforderungen bei Beitragsrückerstattungen.

 

UND NOCH WAS...

Aus der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts ergab sich bereits, dass formal unwirksame Beitragsanpassungen nachträglich geheilt werden können, wenn der Versicherer innerhalb eines bestimmten Zeitraums betroffene PKV-Kunden entsprechend den Anforderungen gemäß, die sich aus § 203 Abs. 5 VVG ergeben informiert.

Das haben die Krankenversicherer innerhalb der der genannten Frist getan.